»Kompany ist so stark wie einst Beckenbauer«

DONNERSTAG, 27 JANUAR 2005, 13:35 - RSCA Skater
Anderlecht-Online No Image Found

Er ist erst 18 Jahre alt, geht noch zur Schule, aber längst ist er ein Star. Vincent Kompany ist seit gestern Belgiens Fußballer des Jahres 2004. Der Innenverteidiger wurde mit dem renommierten »Goldenen Schuh« ausgezeichnet.


In über hundert Jahren hatte Belgiens Fußball bisher vielleicht nur einen echten Weltklassespieler hervorgebracht: Paul Van Himst. Nicht von ungefähr wurde der Stürmer des RSC Anderlecht »der weiße Pelé« genannt und zum besten belgischen Spieler aller Zeiten gewählt. Van Himst bestritt am 19. Oktober 1960 im Alter von 17 Jahren sein erstes Länderspiel. 43 Jahre später steht das Land unter dem Eindruck des 18-jährigen Abwehrspielers Vincent Kompany, dem eine ganz große Karriere prophezeit wird, auch wenn der Innenverteidiger vom RSC Anderlecht in letzter Zeit erfahren musste, dass im Spitzenfußball individuelle Fehler brutal bestraft werden und das Leben des Superstars auch seine Schattenseiten hat. Der Rummel um seine Person wächst ihm allmählich über den Kopf. Es hapert vor allem an der Pünktlichkeit: Schon einige Male erschien Kompany nicht zeitig zum Training oder war mit seinen Gedanken ganz woanders.

Desailly und Vieira

In Kompany, dessen Mutter aus den Ardennen und dessen Vater aus dem Kongo stammt, will mancher den Franzosen Marcel Desailly wiedererkannt haben, als dieser am Anfang seiner Laufbahn stand. Der Weltmeister von 1998 ist auch das große Idol des Emporkömmlings aus Anderlecht, der vor einem Jahr beim 0:2 gegen Frankreich in Brüssel seinen ersten Länderspiel-Einsatz für die Roten Teufel hatte. Ex-Nationalspieler Enzo Scifo behauptete sogar, Kompany sei noch besser als Desailly, der im Alter von 18 Jahren noch beim FC Nantes spielte. »Vincent Kompany ist viel stärker, imposanter und hat mehr Persönlichkeit«, versicherte Scifo.

Kompany, der auch Patrick Vieira von Arsenal London zum Vorbild hat, besitzt offensichtlich alles, was einen Klasse-Fußballer auszeichnet: Technik, Spielintelligenz, Eleganz, Risikobereitschaft, Zweikampfstärke, Gelassenheit, Abgeklärtheit. Van Himst vergleicht ihn heute schon mit dem deutschen »Kaiser« Franz Beckenbauer: »Kompany hat die gleiche Art zu laufen und versteht es genauso wie Beckenbauer, mit nur einem Pass gleich drei Gegenspieler auszuschalten.«

Lorenzo-le-Magnifique

Ältere Belgier erinnert der junge Vincent an den ehemaligen Nationalspieler Laurent Verbiest, der in der ersten Hälfte der 60er Jahre ebenfalls beim Sporting Anderlecht als Innenverteidiger für Furore sorgte. »Lorenzo-le-Magnifique«, wie Verbiest genannt wurde, war auf dem Sprung in die internationale Klasse, als er am 2. Februar 1966 in seiner Heimatstadt Ostende bei einem Autounfall ums Leben kam. Verbiests Tod war für den belgischen Sport ähnlich tragisch wie der des Leichtathleten Ivo Van Damme zehn Jahre später.

Kompany ist perfekt zweisprachig, was in einem zerstrittenen Land wie Belgien nur von Vorteil sein kann. Wenn der Fußballstress es ihm erlaubt, besucht er den Unterricht der 6. Klasse des (flämischen) Athenäums in Anderlecht. »Ich lerne viel zu Hause. Das ist nicht einfach, weil mir doch vieles entgeht von dem, was die Lehrer in der Klasse unterrichten.«

Auch wenn Spielervermittler, Manager und Trainer aus ganz Europa auf ihn aufmerksam geworden sind, will sich Kompany nicht verrückt machen lassen. Bei Anderlecht steht er noch bis 2008 unter Vertrag. Der Rekordmeister will sein Super-Talent nicht für weniger als 20 Millionen Euro ziehen lassen. »Die Nullen im Vertrag sind für mich nicht das Wichtigste. Ginge ich jetzt ins Ausland, würde ich mir die Finger verbrennen«, hat er noch vor kurzem behauptet. Sein Vater Pierre stellte klar: »Mein Sohn ist doch kein Stück Fleisch, das man einfach kaufen kann.« Und Anderlechts Präsident Roger Vanden Stock sagte: »Wenn er möchte, kann Kompany bei uns für 20 Jahre unterschreiben.«

Inzwischen deutet allerdings einiges darauf hin, dass der Shooting-Star zum Saisonende Anderlecht verlassen wird. Sein Manager Jacques Lichtenstein versicherte, Vincent werde nur dann ins Ausland gehen, wenn er zu einem europäischen Topclub transferiert werde.

Spitzenverdiener

Schon jetzt gehört der 18-Jährige zu den drei Spitzenverdienern beim RSC Anderlecht. Dank seiner Einkünfte hatten sein Vater, seine Schwester und sein Bruder die Möglichkeit, aus einer Sozialwohnung in der Nähe des Brüsseler Nordbahnhofs auszuziehen. Heute leben sie in einem Eigenheim in der Nähe der Basilika von Koekelberg.

Viele Experten sind sich einig: Kompanys Zukunft liegt im defensiven Mittelfeld. Im Grunde sei er kein Innenverteidiger, zumal wegen seiner Kopfballschwäche. Im WM-Qualifikationsspiel zwischen Belgien und Litauen in Charleroi ließ Kompany seine ganze Klasse aufblitzen, als Nationalcoach Anthuenis ihn in der zweiten Halbzeit notgedrungen als Rechtsverteidiger einsetzte. In jenem Spiel saß Kompany zunächst auf der Bank, doch nach seiner Einwechslung bestach er mit einer Weltklasse-Leistung. Trotzdem behielten sowohl Anderlecht-Trainer Hugo Broos als auch Anthuenis Kompany in der Innenverteidigung, wo er sich mit der Zeit einige Patzer leistete, wie zum Beispiel im Länderspiel in Norwegen oder auch noch am vergangenen Wochenende in Sint-Truiden.

»Kompany hat ein enormes Potenzial«, konstatierte Sint-Truidens Trainer Marc Wilmots, »aber er muss noch viel lernen. Er vernachlässigt noch viel zu oft seine Deckungsarbeit. Vielleicht sollte er nach Italien gehen. Dort würde man ihm schon beibringen, was es heißt zu verteidigen.«

Wie dem auch sei, der Junge ist heute schon so gut, dass er kürzlich vom ehemaligen holländischen Weltstar Johan Cruyff, dessen fußballerische Ansprüche bekanntlich sehr hoch sind, zu einem Spiel einer Weltauswahl in Barcelona eingeladen wurde. Und auch am 15. Februar 2005 tritt Kompany wieder zusammen mit der Creme de la Creme des internationalen Fußballs im Stadion Camp Nou auf, wenn ein Benefizspiel für die Flutopfer in Südasien stattfindet. Sein Manager Lichtenstein meinte sogar, derlei Einladungen seien für den Marktwert von Vincent Kompany noch förderlicher als etwa die Wahl zu Belgiens Fußballer des Jahres.



Es ist im Moment nicht möglich auf Artikel zu reagieren. Wir sind dabei, das Forum zu ändern. Ein neues System wird bald online sein.